Innere Werte
Letztens hatte ich am Wochenende tatsächlich nach vielen Wochen mal wieder viel Zeit für mich und die wollte ich sinnvoll nutzen. Also beschloss ich, mich endlich wieder auf aktuellen Stand zu bringen, wie sich der Markt für Erwachsenen-Filme in den letzten Monaten so entwickelt hat.
Das ist ja tatsächlich das Schöne am Internet: Es bleibt dem interessierten Zuschauer erspart, sich für die Befriedigung seiner Bedürfnisse aus dem Sessel zu erheben und die Videothek seines Vertrauens aufzusuchen. Wie wir alle wissen, entstehen Bedürfnisse aus dem Gefühl eines Mangels und dem gleichzeitigen unbändigen Wunsch, diesen Mangel zu beseitigen. Und zwar sofort! Keine Zeit also, sich erst einmal in halbwegs ansehnlicher Kleidung zu verpacken und unter den Augen völlig fremder Menschen das eben erwähnte Bedürfnis öffentlich zum Ausdruck zu bringen. Schon der Zugang zum abgetrennten Erwachsenenbereich in der Videothek gleicht einem Spießrutenlauf - jeder, aber wirklich JEDER in der Videothek wird wissen, weshalb Du dort hinein gehst. Da hilft es auch nicht, quasi als Alibi die Hülle von “Eis am Stiel Teil 27” oben auf den Stapel mit den wirklich harten Sachen zu packen. Irgendwann wird der Angestellte hinter dem Tresen schon entdecken, was für Schmuddelkram Du Dir da wieder heraus gesucht hast. Oder noch viel schlimmer: die Angestellte. Üblicherweise Anfang 20 und mit dem Talent gesegnet, Dich peinlich berührt, vorwurfsvoll und darüber hinaus auch noch sehr mitleidig anschauen zu können… Gleichzeitig.
Egal, wo war ich stehen geblieben?
Ach ja. Internet.
Heute bleibt uns dieser Vorgang erspart, wir öffnen den Browser und mit wenigen Mausklicks nähern wir uns dem Ziel unserer Wünsche. Ich bin in dieser Hinsicht ja clever und gut vorbereitet: Ich habe eine gut sortierte Auswahl erwachsenfreundlicher Videoportale in meinen Favoriten gespeichert. Klick. Youporn. Angekommen.
Nun, fast. Da ist ja zunächst noch die Altersüberprüfung zu überwinden. “Warnung: Diese WebSite enthält Inhalte, die für Minderjährige nicht geeignet sind.”.
Ich klicke erleichtert darüber, dass ich bereits seit vie…ähm... bereits seit ein paar Jahren volljährig bin, auf “Betreten”. Und grinse breit bei dem Gedanken an die pubertierenden Jüngelchen, die sich an dieser Stelle ertappt umschauen und dann verschämt den “Verlassen”-Schalter betätigen werden...
Von der Auswahl erschlagen versuche ich nun, mich per Suchmaske den Themen zu nähern, die mich wirklich interessieren. Kurz überlegt - was finde ich an Frauen besonders toll und anziehend? Logisch! Klar! Da bin ich wie jeder andere Mann auch, im Grunde muss ich da nicht wirklich überlegen. Also schnell eintippen: “Innere Werte”. Enter.
Der Server sucht.
Das Ergebnis war äußerst ernüchternd. Aber kurz bevor ich an der Welt zu zweifeln beginne erkenne ich meinen Fehler. Logisch! Ich Depp! Mit “innere Werte” werde ich auf diesem Portal ganz gewiss nicht weit kommen, daran hätte ich denken müssen. Die Seite ist doch englischsprachig!
Mein Englisch war nie das beste, aber hierfür reicht es sicher. “inner qualities” und schon kann es losgehen. Und… es geht los. Aber sowas von. Stück für Stück erfahre ich, was wahre “inner qualities” zu sein scheinen. Offensichtlich hat man im Ausland da eine geringfügig andere Ansicht als hierzulande.
Meinen Übersetzungsfehler bemerke ich erst lange nachdem mein bisheriges Frauenbild schon vollständig gekippt ist. Die vielen Filmchen haben diesbezüglich gewissermaßen mein Innerstes nach außen gekrempelt. Was unter anderem vielleicht auch ein Stück weit darauf zurückzuführen sein könnte, dass die eine oder andere Schauspielerin in diesen Filmen ähnliches vollbrachte.
Besonders ansprechend fand ich die Tatsache, dass Youporn uns Kunden das Sharen so einfach macht. Unter jedem Filmchen die Buttons für Twitter, Facebook und Google+, wirklich ungemein praktisch! Meiner Ex, die mir immer noch auf Facebook folgt schickte ich einen, wie ich fand, sehr ansprechenden Film mit der Anmerkung “Schau mal, es geht doch! Weißt Du noch, wie wir das vergeblich versucht haben? Lag also doch an Dir.”. Ein paar andere, wirklich lehrreiche Filme habe ich kurzerhand auf meiner Pinnwand geteilt und mit Hinweisen wie “Guckt Euch das an!”, “Hammer, wie funktioniert das?” oder auch “LOL, der Trottel ist ihr überhaupt nicht gewachsen” versehen. 2 oder 3 landeten auch bei Twitter und die besonders beeindruckenden Videos postete ich auch auf Google+. Dort ist das Niveau der Beiträge ja im Allgmeinen wesentlich höher als bei Facebook und dem passte ich mich an.
Ein Kollege kommentierte kurz darauf mit teilweise befremdlichen Anmerkungen meine Postings, der Zähler meiner Freunde kam mir plötzlich etwas niedriger vor als noch vor ein paar Tagen. Aber so genau achte ich da ja nie darauf. Meine Ex schickte mir eine sehr beleidigende SMS und mein bester Freund rief an und fragte mich besorgt, ob mein Account gehackt worden sei. Ich verneinte und legte auf, weil ich vor lauter Nachrichten via Facebook und Twitter überhaupt nicht mehr dazu kam, mich meiner eigentlichen Aufgabe weiterhin zu widmen. Mein Google-Account funktionierte nicht mehr, wahrscheinlich zu oft beim Passwort vertippt, wie soll man sich so auch konzentrieren.
Irgendwann funktionierte auch mein Facebook-Account nicht mehr und in meinem Posteingang fand ich eine Mail mit der Nachricht, mein Account wäre aufgrund unzulässigem Verhaltens gesperrt. Falls es sich um ein Versehen oder gar einen Account-Hack handeln sollte, dann möge ich mich doch bei ihnen melden. Meine Antwort, dass mit meinem Account alles in Ordnung sei und ich lediglich mit meinen Freunden ein paar Videos geteilt hätte, wurde zu meinem Erstaunen sehr harsch mit Hinweisen auf den Jugendschutz beantwortet und auch meine Vorschläge, man möge doch eine komfortable Altersüberprüfung wie bei Youporn einführen, verhallten ungehört. Nach ein paar Tagen gab ich entnervt auf.
Seit gestern habe ich einen neuen Facebook-Account. Ihr findet mich dort nun unter dem Namen “Yuop Órni Stklasse”. Bei Google und Twitter melde ich mich nicht wieder an.