Ein Hauch von...
Ich erscheine pünktlich und muß auch nicht lange im Wartezimmer sitzen. Eine freundliche Sprechstundenhelferin bittet mich kurz darauf ins Sprechzimmer.
" Einen kleinen Moment noch, der Herr Doktor ist gleich da". Ich nicke freundlich, habe wenig Eile. Außerdem geht es heute nur um eine kurze Kontrolle.
Wie immer denke ich mir, dass eine Renovierung schon mal nötig wäre. Die Einrichtung ist schwer aus den 80ern, kein Vergleich zu manchen, schon beinahe Wellness-orientierten Praxisräumen. Dafür ist der Inhalt der dicht bestandenen Bücherregale umso aktueller und zeugt von entsprechenden Fortbildungen. Ein weiterer Grund, warum ich diese Praxis und ihre Doktoren so schätze.
Ebenso gegensätzlich ist der Schreibtisch, an dem ich sitze, gestaltet. Das Möbel könnte beinahe aus einem Jugendzimmerprogramm sein. Darauf ein Flatscreen neuesten Datums, Notizblock, mein Laufzettel mit Eckdaten und die Visitenkarten der beiden Chefs.
Beide sehen mit ihren Konterfeis darauf mehr aus wie Verbrecher, und ich komme auch irgendwie immer wieder auf die Panzerknacker von Entenhausen.
Und auch wie immer, bleibe ich am Bild meines "Lieblings"arztes hängen. Kurze, von grau durchsetzte Haare. Blaue Augen, die durch eine große,modische Brille schauen und im Zusammenspiel mit seinem Mund dem Gesicht einen spitzbübischen Eindruck vermitteln, ohne dabei zu lächeln. Unverbindlich spitzbübisch. Ich schätze ihn auf Anfang vierzig.
Er ist groß, schlank gewachsen. Die Begrüßung ist wie immer angenehm und freundlich, ein vollendeter Händedruck. Hände. Die ich mir ebenfalls immer ansehe, parallel, wenn wir uns besprechen.
Sie sind groß, seine Finger schön gegliedert. An seinem linken Ringfinger trägt er einen massiven, groben Ehering. Ich versuche mir wieder vorzustellen, wie seine Frau wohl aussehen mag...aber finde nie eine passende Vorstellung.
Er berichtet mit spielerischem Witz und mitunter einer leichten Ironie, auch sich selbst gegenüber, nimmt seinen Beruf nicht divenhaft ernst oder unfehlbar. Ich mag es, mich mit Menschen mit Sprachwitz zu unterhalten.
Sex. Was mag er, was macht ihn an ? Er hat eine interessante Ausstrahlung, aber nichts, was ich mir für ihn vorstelle, mag so richtig zutreffen - zu professionell seine Aura. Und doch male ich mir jedes Mal neue Bilder aus...
Er sieht heute morgen etwas mitgenommen aus und nach zuwenig Schlaf. Blass, was sein reizvolles Aussehen jedoch nicht schmälert. Unter seinem weißen Arztkittel ein graumeliertes T-Shirt, das irgendwie nach mehr als einem Tag getragen aussieht - ungewohnt nachlässiger Anblick. Er bittet mich, mein T-Shirt abzulegen, um die Bronchien nochmals abhören zu können. Ich lege mein Kleidungs-stück auf die Patientenliege und lehne mich mit dem Po gegen die Liegenkante, lege die Hände auf der Fläche ab. Er hat sich sein Stethoskop umgehängt und tritt an mich heran, bittet mich tief einzuatmen...und bringt einen leichten Windzug seines Duftes mit.......
....nicht nach Dusche....frisch, nein.....
....ein etwas verlebter Geruch.....Nachtschweiß.....ein Geruch von...Lust....intensiver Lust. Das Erkennen dieses eigentümlichen Duftes lässt mich meine Augen kurz schließen. Ich sauge den Geruch ein. Sex. Wild. Die ganze Nacht dauernd und danach erschöpft in die Kissen fallend. Nicht mit ihm, dem Arzt. Ich denke an das Fühlen dabei, das sich-anfühlen einer solchen Nacht. Ich lächle, öffne die Augen wieder und verneine, als die Nachfrage kommt, ob mir nicht gut ist. Mir ist bestens, und Du, Doktor, hattest wohl eine sehr...kräftezehrende Nacht...denke ich mir...
Da er mit dem Ergebnis des Abhörens zufrieden ist, kann ich mich wieder anziehen. Die Dame von vorhin schiebt ihren Kopf durch die Tür " Telefon für sie...ihre Frau...".... ein Blitzen in den Augen des Arztes, nichts weiter sonst verrät etwas in seinem Gesicht, das gerade auf das Papier vor ihm gerichtet ist.....
Bestens gelaunt trete ich auf die Strasse. Ich gehe gerne zum Haus-Arzt meines Vertrauens.