Fourhand
Götz war zum ersten mal in den Vereinigten Staaten. Noch nie war so viel Bewegung in seinem Leben. Die erste große Zäsur: Das Abitur. Seine Eltern hätten es gern gesehen, wenn er sich gleich in irgendeiner Hochschule eingeschrieben hätte, um bloß keine Lücke in seinem Lebenslauf entstehen zu lassen. Die Eins vor dem Komma und seine Beteuerungen, gleich nach seiner Rückkehr ein Jura- oder Wirtschaftsstudium aufzunehmen, sorgten dann aber doch für Beruhigung und sein Vater ließ sich sogar zu der für ihn ungewöhnlichen Bemerkung hinreißen, der Junge möge sich jetzt „ruhig mal die Hörner abstoßen“. Und so koscher ginge es an den deutschen Unis ja derzeit auch nicht zu in diesen „vogelwilden Zeiten“, wie er den Zeitgeist, und was er für dafür hielt, bezeichnete.
Götz ließ Berlin hinter sich und war komplett auf sich allein gestellt. Einen Großteil seiner 19-jährigen Lebenszeit hatte er sich nach den Vorstellungen seines Umfeldes gerichtet. Er lernte ein Instrument, spielte brav Kontrabass im noch braveren Schulorchester, Konfirmation, Tanzschule usw.....Das gesamte Programm. Bis er mit siebzehn „Revolver“ von den Beatles hörte. Das Album veränderte ihn. Er ließ sich die Haare lang wachsen und beschäftigte sich fortan mit den aktuellen herrlich suspekten Werten seiner Altersklasse. Eine bis dato sexuell dramatisch dürre Jugend wurde nun endlich leidlich angereichert mit ersten Erfahrungen, die aber noch enorm viel Luft nach oben hatten. Brigitte, Angelika und Corinna küssten und fummelten Götz mehr schlecht als recht in die nahende Volljährigkeit. Umgekehrt verhielt es sich wahrscheinlich ähnlich.
Keine der drei vermisste er, als er in den Flieger stieg und sie spielten auch keinerlei Rolle in seinen Fantasien, die ihn jetzt umtrieben, als er mit seinem Rucksack, also seinem gesamten Hab und Gut, am Flussufer entlang lief, drei Autostunden entfernt von San Francisco. Vielmehr war seine Aufmerksamkeit jetzt von einem weiblichen Pärchen geweckt worden, das sich splitterfasernackt auf einem Felsen gegenseitig massierte. Götz verharrte für eine Weile in der Rolle des Spanners, wähnte sich unentdeckt und bekam ein wohliges Schauspiel geboten. Etwa zwanzig Meter trennten ihn vom Epizentrum.
Nah genug, um festzustellen, dass eine der Frauen bildschön und die andere....nun, nicht ganz sein Typ war. Die hatte eine Kurzhaar-Frisur wie Jean Seberg in „Außer Atem“. Götz hätte gern ihren Part übernommen in dieser eigenwilligen Szene unter der kalifornischen Sonne im Frühjahr des Jahres 1969. Trotz all seiner Hemmungen und noch unterentwickelten womanizing skills.
Die gefühlte Hauptdarstellerin übertraf in ihrer ungeschminkten Natürlichkeit die komprimierte Erotik aller Top-Playmates dieses noch unlängst entdeckten Herrenmagazins von diesem Selfmade-Millionär Hugh Hefner, das Götz an außerbezirklichen Tankstellen so zittrig wie käuflich erwarb, um sich kurze Zeit später schließlich den Druck zu nehmen. Für den Moment war er tatsächlich ganz abseits aller Printmedien im Reich Sinne.
Fast, denn gerade übernahm die andere die Regie und versperrte die Sicht auf diese Verheißung von Frau. Götz fragte sich die ganze Zeit, welche Augen sich hinter der riesigen Sonnenbrille befinden würden. Die Fallhöhe schien enorm, aber der Liebe Gott würde bei den Augen nicht gespart haben. Er war sich darüber sicher. Jetzt hob sie ihren Kopf und drehte ihn in die Richtung jenes Baumes.
„Come over, dude!“
Götz stand wie paralysiert in seiner vermeintlichen Deckung. Meinte sie ihn?
„Hey guy. Hey you over there.“
Verschämt trat der Ertappte hinter dem Baum hervor, nahm allen Mut zusammen und schritt auf die beiden zu. Die Flucht nach vorn war jetzt unumgänglich.
„I am Katharine. Take off your clothes“ sagte die Schöne.
Das klang so unglaublich hinreißend. Dann kam eine gewöhnliche Stimme:
„Susan. Nice to meet you. Wanna join us?“
Die neuen amerikanischen Bekannten waren keine Freundinnen der langen Vorrede. Götz empfand wie ferngesteuert, als er sich seiner Klamotten entledigte. Als liefe ein motorisches Programm ab, dessen er nicht Herr war. Er brachte es gerade noch zu einem brüchigen „Hi, my name is Götz from Germany.“
„Gots?“
„Götz“
„Darling, it's the Great Gotsby.“
„Come on great Gotsby. Lie down. Relax. We gonna spend you energy.“
Katharine lächelte ihn an. Das tat so gut.
Ab in die Bauchlage. Dann fühlte er, wie ihre Hände ihn von der Wade aufwärts alternierend bestiegen. Warme, weiche Hände, denen er sich nun voll hingab. Es gab nur ein kleines Problem. Eben jene Bauchlage. Götz hatte in der Aufregung vergessen, die Vorhaut zurück zu stülpen, so dass jetzt eine dicke ungeschützte Eichel zwischen seinem Bauch und der Decke auf dem Felsen einklemmte. Nicht ganz optimal, aber verschmerzbar angesichts der Berührungen, die Katharine ihm gerade schenkte.
Sie kurvte mit ihren Ellenbogen geschmeidig um die Schulterblätter, strich dann die Hinterseiten seiner Oberschenkel aus und berührte dabei wie zufällig den roten Bereich. Götz war in der gewaltigsten Pornoszene seines jungen Lebens angekommen und das von ziemlich Null auf Hundert. Vor allem aber schien das erst der Anfang zu sein.
Götz hob ab, die körpereigenen Drogen erledigten das mühelos alleine. Dann kam eine neue Empfindung dazu. Zwei kühlere Hände pflügten plötzlich vom Kopfende kommend durch seinen Latissimus. Nun schaltete sich offenbar Susan ein. Warum? Ausgerechnet jetzt. Sie tat es auf ihre Art und nahm den jungen Deutschen eindeutig härter als ihre göttliche Freundin ran, es ging eher in die Richtung Sportmassage. Götz mochte das durchaus. Diese Form des Innehaltens lief allerdings in einer komplett anderen Milchstraße ab, jenseits seines erotischen Empfindens. Das nämlich war gekoppelt an innere Anspannung und unvereinbar mit einem wirklichen Loslassen. Kurzum: Götz konnte entweder horny oder relaxed. Beides zusammen müsste er noch lernen.
Susan hatte es drauf mit ihren festen Griffen und Knetungen. Fast hätte er vergessen, seine Lenden zu lupfen, da Katharine sich schon wieder im Innenbereich der Oberschenkel aufhielt in unmittelbarer Nähe zum Po und sich eine erneute „Touché-Situation ankündigte. Sein kleiner Freund war inzwischen tatsächlich klein und konnte sich nicht entscheiden, ob er sich ausruhen und Susan hingeben oder sich auf die andere Entspannung vorbereiten sollte, das mit dem Reich der Sinne. Die Schöne spielte die Touché-Karte und sofort schoss das Blut wieder ein, wurde aber von vorne oben jäh erschüttert:
„DO YOU LIKE IT?“
„Thanks Susan. That's really good.“
„ENJOY!“
Sie behandelte inzwischen seine Oberarme, dass es eine wahre Wohltat war. Götz spürte Muskeln, von deren Existenz er bislang noch gar nichts wusste und die, die er kannte, Triceps und Biceps, wurden gewalkt, gerieben, geschlackert und gehackt.
Allein, sein Hirn war mit unterschiedlichen Informationen überlastet und schickte widersprüchliche Befehle an die Peripherie. Der Blutkreislauf des Patienten, der vor lauter Zu- und Ablauf nur noch am Zucken war, spielte verrückt. Jetzt waren alle vier Hände an seinem Arsch dran, geschwisterlich in linke und rechte Hälfte aufgeteilt. Susan rammte links ihre beiden Handballen rein und konterte mit ihren Daumen und der genau richtigen Öldosis, dass die Backe glühte. Alles in und an Götz schmolz dahin. Katharine, die die andere Backe zärtlich umspielte, schien sich damit nicht abfinden zu wollen. Und dann...oh mein Gott! Sie tat das Undenkbare, was wiederum zur sofortigen Druckbetankung mit venösem Blut führte.
'Wenn sich die beiden doch nur mal einig würden', dachte Götz. Noch konnte er das ganze Wechselbad der Gefühle gut verbergen, weil ER sich im sicheren uneinsehbaren Versteck zwischen seinem Bauch und der Matratze befand. Noch. Bis genau jetzt.
„Please turn around!“
Eine frisch generierte Männlichkeit kam nun zum Vorschein. Götz schloss die Augen.
Er vernahm Worte wie „Oh dear!“, „My goodness“ oder so ähnlich. Als auch die beiden ihre Position wechselten, fehlte jetzt der Zugriff von Katharine und demzufolge verhielt sich sein Organ nun so wie die Figuren im Schmilzlöffel über der Kerze beim beliebten weihnachtlichen Bleigießen. Obwohl sie an den Top Five seiner erogenen Zonen, nämlich den Ohrläppchen spielte, herrschte untenrum komplette Flaute. Susan legte den fünften Gang ein und machte das Rennen um seine Wahrnehmung. Die Frau war eine Maschine. Katharine dagegen in diesem Moment nur ein Kopfkraulimpuls. Es begann ihm peinlich zu werden. Diese Frau hatte eine stattliche Erektion als nonverbales Zeichen der Anerkennung ihrer Bemühungen verdient, doch sämtliche Anflüge von Gefühlen im Lendenbereich machte Susan mit kraftvollen Handgriffen zunichte.
Götz fragte sich verzweifelt, ob Katharine gekränkt sein könnte? Das tat ihm jetzt echt leid. Mitleid und Schuldgefühle waren allerdings noch nie treffliche Motive für sexuelle Erregung, daher war aber auch gar nichts gegen den abgewürgten Lurch zu unternehmen, der schlapp und so gar nicht majestätisch vor sich hinlümmelte.
Susan hatte sich inzwischen vom Oberschenkel über die Unterschenkel zu den Füßen herunter geknetet und somit das mittlere Segment freigegeben. Katharine träufelte von der Sonne warmes Öl über seine Brust und verteilte es mit ihren Händen so, dass ihre famosen Brüste in seinem Gesicht waren, was unweigerlich das nächste Level zur Folge hatte. Gut so! Weiter so! Für den Moment war Susan nicht mehr als ein Fußsohlenimpuls. Götz war vorsichtig optimistisch. Spätestens in diesem Moment wurde deutlich, dass der junge Mann nur ein Mensch war und Formschwankungen unterlag. Sie musste also noch eine Schippe drauf packen, um das Segel zu hissen. Götz war vielleicht bei 75 Prozent. Defcon 3. Das mit den Brüsten im Gesicht war schon mal ein ziemlich guter Ansatz, aber im Moment brauchte es mehr. Vielleicht eine 69'er-Simulation, passend zum Jahr? Schluss mit passiv. Götz machte von seinen oberen Extremitäten Gebrauch, griff nach hinten und schob ihren Po nach vorne in Richtung seines Rumpfes. Die gymnastische Einlage zeigte Erfolg und er blickte in ihr Heiligstes, während sie ihm eine spanische Frischzellenkur verpasst. Susan war mittlerweile ausgeblendet wie ein Tinnitus. Der erste Lusttropfen schwappte über und deutete einen zeitnahen Absch(l)uss an.
„Don't stop! Don't stop!“ keuchte Götz.
Was jetzt folgte, war ein Ausflug in die Abgründe einer perfiden Fußreflexzonenmassage. Götz hatte diesbezüglich bislang nur gefährliches Halbwissen angehäuft. Er hatte keine Ahnung, was Susan sich dabei dachte und ob sie überhaupt irgendetwas dachte. Jedenfalls drückte sie bestimmte Punkte an seiner Fußsohle und ein bestimmter davon verwandelte seine Erektion in eine ehemalige Erektion. Seine Reizleitung wurde manipuliert. Ein Affront gegen das Verwöhnprogramm von Katharine.
„Everything's fine?“ fragte sie und der Blick in Götz' Mitte gab ihr die Antwort.
„Maybe just need a short break.“
Götz schämte sich. Er wusste nicht, wie er ihr beibringen sollte, dass Susan irgendwie versehentlich an den AUS-Schalter gekommen sein muss. Katharine zog ihre Brüste wieder ab, ging in ihre alte Position des Kopfkraulens zurück und ließ einen ratlosen Kunden zurück, der verkrampft und schuldig nunmehr wieder in den blauen Himmel starrte. FUCK!!! Unterdessen drückte Susan weitere Reflexzonen und fand offenbar auch wieder den AN-Knopf. Ohne zu wissen, wie ihm geschah, bäumte er sich in Windeseile wieder auf, wie ferngesteuert. War das Voodoo? Götz bemühte sich um erklärende Worte, aber es fiel ihm nichts vernünftig klingendes ein.
Susan hatte sich inzwischen wieder hochgearbeitet und fuhr jetzt die Ernte ein. Götz wollte so auf keinen Fall kommen, doch nach zehn bis zwanzig Zyklen war es soweit und er kleckerte sich und Susans rechte Hand voll. Er hatte Katharine mit Susan betrogen. Jetzt schlugen die restlichen Spurenelemente seiner katholischen Erziehung durch. Er hätte es so gerne der Frau seines Herzens gegeben. Die sah sich aber scheinbar voll und ganz als Teamplayer und applaudierte ausgelassen. Dann nahm sie die Sonnenbrille ab und Götz schaute zum ersten Mal in diese besonderen, diese absolut außergewöhnlichen Augen.
Götz konnte es nicht fassen.
„Elaine! You are Elaine Robinson!“